Diagnostik und Therapie in der Orthopädie

Anamnese und klinische Untersuchung in der Orthopädie

Anamnese und klinische Untersuchung

Bei vielen Verletzungen und Erkrankungen sind keine besonders aufwendigen Untersuchungsmethoden erforderlich, um die richtige Diagnose zu stellen. Als ersten und oft wichtigsten diagnostischen Schritt erfragt der Arzt den Unfallhergang oder den bisherigen Verlauf der Erkrankung (Anamnese ). Bestimmte Unfallmechanismen und Formen von Gewalteinwirkung führen oft zu typischen Verletzungen, bestimmte Sportarten zu speziellen Sportschäden, die ihre Ursache manchmal schon durch Namen wie Golferellenbogen oder Skidaumen verraten. Bei orthopädischen Erkrankungen fragt der Arzt, wo und wann die Beschwerden am heftigsten auftreten, ob sie sich durch bestimmte Bewegungen und Belastungen auslösen oder verstärken lassen. Degenerative Erkrankungen, z. B. eine Arthrose, äußern sich typischerweise durch Schmerzen zu Beginn einer Aktivität (Anlaufschmerz) sowie nach längerer Belastung (Belastungsschmerz), entzündliche Erkrankungen wie eine Arthritis eher durch einen Ruheschmerz, der sich oft sogar durch Bewegung bessert. Gelegentlich spielen auch Beschwerden und Erkrankungen außerhalb des Bewegungsapparats eine wichtige Rolle für die Diagnostik orthopädischer Probleme. So lassen sich z. B. Fußbeschwerden manchmal auf Diabetes zurückführen.

Eine sofortige Blickdiagnose ist dann möglich, wenn der Arzt sichere Zeichen eines Knochenbruchs sieht. Entscheidende diagnostische Hinweise gibt oft die Beobachtung von Körperhaltung und Bewegungsabläufen in Form einer Ganganalyse bei Bein- oder Rückenbeschwerden. Der Finger-Boden-Abstand beim Bücken ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Beweglichkeit, bezogen auf die Wirbelsäule, messen und damit objektivieren lässt. Durch neurologische Untersuchungen, z. B. durch die Prüfung der Muskeleigenreflexe oder der Berührungsempfindung, fahndet der Arzt nach neurologischen Erkrankungen, die orthopädische Störungen auslösen, begleiten oder vortäuschen können. Das Abtasten und Durchbewegen schmerzhafter Körperteile, die Suche nach speziellen Schmerzpunkten und verschiedene Funktionstests komplettieren die orthopädisch-unfallchirurgische Basisuntersuchung.

Bei einem Funktionstest führt der Arzt eine standardisierte Untersuchung durch, um gezielt die Funktion bestimmter Muskeln oder Muskelgruppen, Sehnen oder Gelenke zu prüfen. Die Tests helfen, eine zunächst diffuse, schmerzhafte Bewegungseinschränkung einzugrenzen und die verletzte oder erkrankte Struktur zu erkennen. Oft versucht der Arzt, typische Schmerzen zu provozieren, indem er die (vermutlich) betroffene Struktur gezielt beansprucht. Ein typisches Beispiel ist der Palm-up-Test (Handfläche hoch): Dabei wird der Untersuchte aufgefordert, seinen horizontal ausgestreckten Arm mit oben liegender Handfläche schräg nach vorne zu halten und nicht nachzugeben, während der Untersucher den Arm Richtung Boden drückt. Eine einseitige Kraftminderung sowie Schmerzen an der Schultervorderseite sprechen für eine Erkrankung der langen Bizepssehne.

Gelenkspiegelung. Manche Gelenkverletzungen und -erkrankungen erlauben eine sichere Diagnose nur mithilfe einer Gelenkspiegelung (Arthroskopie), einer speziellen Form der Endoskopie. Dabei führt der Arzt über einen kleinen Schnitt einen schmalen hohlen Stab (Arthroskop) ein, der mit einem optischen System von Linsen, einer Lichtquelle und meist einer Spül- und Absaugvorrichtung ausgestattet ist. Die Optik ist über eine Kamera mit einem Monitor verbunden. Außerdem besitzen manche Arthroskope Arbeitskanäle, durch die der Arzt chirurgische Instrumente im Miniaturformat (z. B. Scheren, Haken, Fräsen) einschieben kann, die sich von außen präzise steuern lassen. Dieses Verfahren ermöglicht es nicht nur, direkt in das Gelenk hineinzuschauen, sondern auch gleichzeitig eine minimal-invasive Operation durchzuführen. Gegenüber offenen chirurgischen Verfahren hat diese Methode verschiedene Vorteile: eine geringere Belastung des Organismus, weniger Schmerzen und kürzere Heilungsdauer.

Die Arthroskopie dient v. a. der Untersuchung von Verletzungen im Knie-, Schulter-, Hand- und Sprunggelenk, aber auch zur Beurteilung und Therapie entzündlicher oder verschleißbedingter Gelenkerkrankungen und unklarer Gelenkbeschwerden. Typische Einsatzgebiete am Knie sind z. B. die Naht von Meniskusverletzungen, der Ersatz gerissener Kreuzbänder durch Transplantate, die Entfernung von Gelenkmäusen, z. B. bei Osteochondrosis dissecans, und das Ausschälen entzündeter Gelenkinnenhaut (Synovektomie) bei schwerer rheumatischer Arthritis.

Laboruntersuchungen

Laboruntersuchungen spielen in der Orthopädie eine untergeordnete Rolle. Bei unklaren Gelenkentzündungen untersucht der Arzt das Blut auf Entzündungswerte (Rheumafaktoren), spezielle Antikörper oder den Harnsäurespiegel (Verdacht auf Gicht). Auch Gelenkflüssigkeit, mittels einer Spritze im Rahmen einer Gelenkpunktion entnommen, eignet sich zur Untersuchung im Labor. Dabei interessiert den Arzt insbesondere der Gehalt an Zellen, Kristallen oder Bakterien.

23.06.2023

Von: Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

Arthrose und Arthritis

Arthrose: Bei dieser Volkskrankheit handelt es sich um eine typische Verschleißerscheinung. Sie hat ihre Ursache in einem Missverhältnis zwischen belastungsbedingtem Knorpelabrieb und körpereigenen Reparaturmaßnahmen. Deshalb zeigt sich der Zerstörungsprozess zunächst v. a. am Gelenkknorpel und anderen knorpeligen Gelenkstrukturen, z. B. den Menisken. Später greifen die Veränderungen auch auf den Knochen über, der direkt unterhalb der Knorpelschicht liegt. Als Folge entstehen Symptome wie Gelenkschmerzen, Bewegungseinschränkungen und Verformungen des betroffenen Gelenks. Wenn sich auf den kontinuierlichen Prozess der Knorpel- und Knochenzerstörung entzündliche Reaktionen aufpfropfen, z. B. aufgrund einer Überlastung des Gelenks, nehmen die Beschwerden zeitweilig zu. Man spricht in diesem Fall von einer aktivierten Arthrose. Anfällig für Arthrosen sind insbesondere die Gelenke in Schulter, Hand, Hüfte, Knie und Fuß.

Gegen Arthrose gibt es bisher keine Medikamente. Auch Operationen stoppen die Erkrankung nicht. Die bisherige Therapie basiert vielmehr darauf, Schmerzen zu lindern und die Gelenkbeweglichkeit soweit wie möglich aufrechtzuerhalten. Wenn das nicht mehr wirkt, hilft oft nur ein künstliches Gelenk. Ein Therapieansatz, der dies künftig vermeiden könnte, ist die Transplantation von gesundem Knorpelgewebe, das die Funktion des geschädigten Knorpels ersetzt. Damit könnte nach Meinung der Experten dem Verschleiß und dem Funktionsverlust des Gelenks erfolgreich entgegengewirkt werden. Dass das Knorpelgewebe dadurch seine ursprüngliche Qualität wiedererlangt, halten sie allerdings für unwahrscheinlich. Auch helfe die Therapie vermutlich nur Patienten, bei denen der Knorpelschaden lokal begrenzt auftritt, z. B. nach einem Unfall.

Arthritis (Gelenkentzündung): Beispielsweise bei einer Arthrose, aber auch im Rahmen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen oder einer bakteriellen Gelenkinfektion (septische Arthritis).

Selten lösen auch Viren eine Arthritis aus, so die aus Skandinavien eingeschleppten Sindbis-Viren. Die ursprünglich in den 50er Jahren in Afrika entdeckten Viren verursachen die so genannte Ockelbo- oder Pogosta-Krankheit und werden durch Mücken übertragen. In Deutschland wurden sie erstmals im Mai 2010 nachgewiesen.

13.02.2020

Von: Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

Bildgebende Diagnostik in der Orthopädie

Röntgen. Durch die körperliche Untersuchung der Stütz- und Bewegungsorgane lassen sich Erkrankungen, z. B. Sehnenverletzungen, Knochenbrüche oder Entzündungen, oft mit großer Sicherheit feststellen. Trotzdem ist zur Bestätigung der Diagnose häufig der Einsatz technischer Geräte notwendig. So erfordert die Untersuchung von Knochen und Gelenken auch heute noch meist das Röntgen.

Dass hierbei potenziell schädliche Röntgenstrahlung auftritt, ist ein notwendiges Übel. Da moderne Anlagen das Röntgenbild elektronisch erfassen und bearbeiten, wird die notwendige Strahlungsintensität stark reduziert. Dadurch sind auch häufige Röntgenuntersuchungen ohne wesentliche Belastung.

Die Darstellung von Knochenbrüchen verlangt in der Regel Röntgenaufnahmen in mindestens zwei verschiedenen Ebenen, von vorne und von der Seite, eventuell auch in schräger Richtung. Sie geben Informationen über den Ort des Bruchs, die Zahl der Bruchstücke, eine mögliche Verschiebung der Bruchflächen und gegebenenfalls die Beteiligung einer Gelenkfläche.

Kernspin und CT. Bei unklaren Befunden und zur Planung komplizierter Operationen sind Kernspin und CT die Untersuchungsmethoden der Wahl, ebenso bei Verletzungen und Erkrankungen von Brustkorb und Wirbelsäule. Als besondere Stärke des Kernspins gilt die Darstellung von Weichteilen, speziell von Gelenken, Muskeln, Sehnen und Schleimbeuteln, aber auch von Bandscheiben, Rückenmark und Rückenmarknerven.

Ultraschall. Weniger aufwendig, aber oft ebenso aufschlussreich lassen sich Weichteile mit Ultraschall untersuchen, z. B. die Bauchorgane, wenn nach einer Gewalteinwirkung (stumpfes Bauchtrauma) innere Verletzungen auszuschließen sind. Auch zur Diagnostik von Verletzungen und Erkrankungen der Bänder, Muskeln und Sehnen sind Ultraschalluntersuchungen gut geeignet. Bei Gelenkerkrankungen und Knochenverletzungen ergänzen sie oft andere Diagnoseverfahren, reichen jedoch selten als alleinige Untersuchungsmethode aus.

Knochenszintigrafie. Eine spezielle, radiologische Untersuchungsmethode ist die Knochenszintigrafie (Skelettszintigrafie), bei der die Anreicherung eines zuvor injizierten, radioaktiven Stoffs im Knochen gemessen wird. Verteilungsmuster und gespeicherte Menge des Stoffs erlauben Rückschlüsse auf einen gesteigerten Knochenstoffwechsel, wie er unter anderem bei entzündlichen Veränderungen oder Tumoren auftritt.

13.02.2020

Von: Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

Fehlhaltung, Haltungsschwäche und Fehlstellung

Ausgleichbare Fehlhaltungen

Kaum jemand nimmt ständig eine gute und gesunde Körperhaltung ein. Langes, unbewegliches Sitzen auf ungeeigneten Sitzmöbeln, mangelnde Bewegung und eine schwache Rumpfmuskulatur verstärken die Neigung, sich gelegentlich „hängen“ zu lassen, einen Buckel oder ein Hohlkreuz zu machen. Werden solche Fehlhaltungen zur Gewohnheit, z. B. bei sitzenden Berufstätigen, führen sie längerfristig häufig zu Verspannungen, Rücken- oder Kopfschmerzen. Kinder leiden seltener unter derartigen Beschwerden, selbst wenn sie sich häufiger schlecht halten als Erwachsene.

Ständigen Fehlhaltungen liegt oft eine echte Haltungsschwäche zugrunde. Dieser Begriff ist genau definiert: Er bezeichnet die Unfähigkeit, die Wirbelsäule im Stand und mit horizontal vorgestreckten Armen länger als 30 Sekunden aufzurichten. Haltungsschwächen sind besonders während der Pubertät weit verbreitet, da das Längenwachstum und der Aufbau von Muskelmasse in dieser Lebensphase häufig zeitlich versetzt ablaufen. Zudem büßt die Hüft- und Brustmuskulatur bei vielen Jugendlichen einen Teil ihrer Kraft ein, weil sie sich durch häufiges Sitzen vor dem PC oder dem Fernsehgerät verkürzt. Eine kräftige und dehnbare Rumpfmuskulatur ist jedoch unabdingbar für eine ausreichende Stabilisierung der Wirbelsäule. Mit zunehmender Muskelmasse verschwindet die Haltungsschwäche der Jugendlichen in der Regel folgenlos.

Vorsorge gegen Fehlhaltungen

Was aber können Eltern tun, wenn sie bei ihren Kindern eine dauerhaft schlechte Haltung beobachten, wenn diese zu Beschwerden führt, z. B. Kopfweh, Rücken- oder Nackenschmerzen, oder wenn eine echte Haltungsschwäche besteht? Der erste Schritt heißt: gelassen bleiben und sich klarmachen, dass dieses Problem ebenso harmlos wie häufig ist. Der zweite Schritt besteht darin, die betroffenen Kinder oder Jugendlichen zu mehr körperlicher Aktivität und Sport anzuhalten. Die Art des Sports ist dabei weniger entscheidend als der damit verbundene Spaßfaktor, der die Kinder bei der Stange hält – die wenig beliebte Krankengymnastik bleibt deshalb den schweren Fällen vorbehalten. Zu beachten ist weiter auch eine gute Ergonomie der Sitz- und Schreibmöbel.

Nicht ausgleichbare Fehlhaltungen

Von den ausgleichbaren Fehlhaltungen abzugrenzen sind fixierte Fehlstellungen, die sich als Folge mancher Wirbelsäulenerkrankung entwickeln. Sie sind charakterisiert durch eine nicht korrigierbare Einschränkung in der Beweglichkeit einzelner Wirbelsäulenabschnitte. Jeder Versuch, eine normale Haltung einzunehmen, ist schmerzhaft und zum Scheitern verurteilt. Man unterscheidet verschiedene Formen von Fehlstellungen:

  • Der Flachrücken entspricht einer unterdurchschnittlich ausgeprägten Krümmung der Wirbelsäule, meist im Lendenbereich. Er wirkt oft wie eine besonders gerade Haltung. Durch die Fehlstellung nimmt jedoch die Elastizität der Wirbelsäule ab; die Anfälligkeit für Rückenschmerzen nimmt zu. Ursache ist gelegentlich ein Morbus Scheuermann der Lendenwirbelsäule.
  • Ist die Krümmung der Brustwirbelsäule zu stark ausgeprägt, nennt der Arzt dies einen Rundrücken oder Buckel; ist die Lendenwirbelsäule zu stark gekrümmt, spricht er vom Hohlkreuz, in Kombination von beidem auch vom Hohlrundrücken. Unter der Belastung des Körpers entstehen dabei starke Biegekräfte, die einen vorzeitigen Verschleiß der zugehörigen Abschnitte begünstigen und dadurch langfristig oft Rückenschmerzen verursachen. Morbus Scheuermann, Morbus Bechterew und eine starke Osteoporose sind Erkrankungen, die oft zu einem fixierten Rundrücken führen. Die Spondylolisthese an der Lendenwirbelsäule ist eine typische Ursache für ein fixiertes Hohlkreuz.

Die wirksamste Behandlung besteht im konsequenten Training des Muskel-Band-Apparats, üblicherweise durch dauerhafte Krankengymnastik. Nur so ist es möglich, ein Fortschreiten zu verlangsamen und Rückenschmerzen zu vermeiden oder zu lindern.

24.10.2019

Von: Dr. med. Siegfried Locher, Dr. med Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

Gips, Verbände und orthopädische Hilfsmittel

Ob operiert wird oder nicht: Ein allgemeines Behandlungsprinzip in Unfallchirurgie und Orthopädie lautet, dass erkrankte oder verletzte Teile des Bewegungsapparats – v. a. in der Akutphase – Ruhe und Entlastung brauchen, um heilen zu können. Manchmal reicht es aus, den entsprechenden Körperteil für begrenzte Zeit zu schonen und schmerzhafte Bewegungen oder Belastungen zu vermeiden. Oft sind jedoch verschiedene Hilfsmittel erforderlich, um den betroffenen Skelettabschnitt ruhig zu stellen. Neben dem traditionellen Gipsverband und seinen modernen Nachfahren aus Kunststoff gibt es zu diesem Zweck eine Vielzahl ausgeklügelter Spezialverbände, sowie eine große Auswahl vorgefertigter Schienen und Apparate.

Gipsverbände. Beim echten Gips oder Weißgips handelt es sich um pulverisiertes Gipsmineral, das auf Mullbinden aufgetragen ist und bei der Verarbeitung mit Wasser unter Wärmeentwicklung zum festen Gips abbindet. Es eignet sich für alle festen Stützverbände und zur Ruhigstellung nach Brüchen, Operationen oder bei Entzündungen.

Der Kunststoffgips oder Castverband besteht dagegen aus einem Netz von Kunstfasern, z. B. Glasfasern, das mit Kunstharz, z. B. Polyurethan, getränkt ist und unter Wassereinwirkung aushärtet. Vorteile gegenüber dem Weißgips sind schnelleres Aushärten, geringeres Gewicht und bessere Widerstandsfähigkeit gegenüber Nässe. Nachteilig sind die zehnfach höheren Kosten.

Ein geschlossener Gips (zirkulärer Gips, Rundgips) umschließt den gesamten Körperteil. Er eignet sich zur langfristigen Behandlung vieler Knochenbrüche. Als hülsenförmigen Gipstutor setzt ihn der Arzt auch ein, um Erkrankungen, z. B. Kapsel-, Band- und Meniskusverletzungen oder Entzündungen, zu behandeln. Ein Spaltgips ist ein geschlossener Gips, der unmittelbar nach dem Aushärten der Länge nach aufgesägt wird; eine Gipsschiene ist dagegen primär so angelegt, dass sie die erkrankte Gliedmaße nur teilweise umschließt. Spaltgips und Gipsschiene fixiert der Arzt mit elastischen Binden am betreffenden Körperteil.

Spaltgips und Gipsschiene eignen sich besonders für frische Verletzungen, bei denen mit einer zunehmenden Weichteilschwellung zu rechnen ist. Ein geschlossener Gips ist nicht zulässig, da bei einer Schwellung eine Druckerhöhung und eine Durchblutungsstörung im umschlossenen Gewebe droht. Gefürchtete Folge ist das Kompartmentsyndrom, das unbehandelt zum Absterben von Muskelgewebe und zu Nervenschädigungen mit dauerhaften Lähmungsfolgen führt. Es tritt v. a. an Unterschenkel und Unterarm auf und äußert sich in erheblichen Schmerzen und einem starken Spannungsgefühl in der Muskulatur. In diesem Fall lassen sich nur durch eine sofortige Operation mit Spaltung der betroffenen Muskulatur Dauerschäden vermeiden.

Unabhängig von der Behandlungsursache ist eine längerfristige Gipsbehandlung mit typischen Folgen und Risiken verbunden: Sie reichen von einem Muskelabbau (Muskelatrophie) über eine Versteifung der ruhig gestellten Gelenke bis hin zur Möglichkeit von Thrombosen und Embolien. Bei engen oder unzureichend gepolsterten, zirkulären Gipsverbänden drohen außerdem, neben dem oben erwähnten Kompartmentsyndrom, Hautverletzungen und direkte Druckschädigungen von Nerven.

Funktionelle Verbände stellen ein Gelenk oder eine Extremität nicht völlig ruhig, sondern erlauben bestimmte Bewegungen (Funktionen), während sie andere selektiv blockieren. Bekanntestes Beispiel sind Tapeverbände: Mehrere Streifen eines stark haftenden Klebebands werden im Gelenkbereich so auf die Haut geklebt, dass unerwünschte Bewegungen verhindert werden. Tapeverbände eignen sich zur Behandlung bei Zerrungen und Verstauchungen, chronischer Gelenküberlastung und Schwäche des Kapsel-Band-Apparats.

Funktionelle Schienen schützen in ähnlicher Weise vor extremen Bewegungen. Besonders bei Sprunggelenkverletzungen mit Überdehnungen und Rissen des Außenbands verordnen Ärzte häufig Schienen (z. B. die Aircast-Schiene), die das Umknicken des Fußes verhindern, das Abrollen des Fußes aber zulassen.

Orthopädische Hilfsmittel. Eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Unfallfolgen wie auch von orthopädischen Erkrankungen spielen verschiedenartige technische Hilfsmittel in Form von Orthesen. Hierzu zählen z. B. Schienen, Bandagen, Stützapparate, Schuherhöhungen zur Beinlängenkorrektur, Einlagen oder spezielle orthopädische Maßschuhe bei Verformungen und mangelnder Stabilität des Fußes. Nicht zuletzt stehen als Hilfsmittel auch verschiedenste Prothesen zur Verfügung, die fehlende Gliedmaßenabschnitte ersetzen.

13.02.2020

Von: Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

Medikamentöse Therapie in der Orthopädie

Lokal. Eine differenzierte medikamentöse Therapie erfolgt häufig lokal, also direkt im Bereich der Verletzung oder Erkrankung, z. B. durch Injektionen an Sehnenansätzen, Nervenwurzeln oder Nerven (Nervenblockade), in Schleimbeutel oder Gelenke. Eine verbreitete lokale Therapie, v. a. bei Prellungen und Verstauchungen, sind Einreibungen mit entzündungshemmenden Sportsalben (z. B. Diclofenac-ratiopharm® Gel) und Gels (z. B. Etrat® Sport Gel). Es ist allerdings umstritten, ob die Wirkstoffe auf diese Weise ausreichend ins Gewebe eindringen.

Systemisch. Oft hilft deshalb nur eine systemische Therapie, die im ganzen Körper wirkt, z. B. in Form von Tabletten, Dragees, Tropfen, Saft oder Zäpfchen, oder durch Injektionen in Muskel oder Vene. Dabei kommen an erster Stelle nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), z. B. Diclofenac (Voltaren®) oder Ibuprofen (Ibuflam ®) zum Einsatz, die nicht nur entzündungshemmend, sondern auch abschwellend und schmerzlindernd wirken. Vorwiegend als Schmerzmittel fungieren Medikamente wie Metamizol (Novalgin®) oder Paracetamol (Benuron®).

Eine Linderung starker Schmerzen lässt sich durch Opiate, wie z. B. Tramadolhydrochlorid (Tramal®) erzielen.

Acetylsalicylsäure (ASS, z. B. Aspirin®) ist bei akuten Verletzungen nicht zu empfehlen, da sie die Blutgerinnung hemmt, Blutungen und Blutergüsse verstärkt und eventuell anstehende Operationen erschwert.

13.02.2020

Von: Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

Operativ oder konservativ?

Bei der Therapie von Verletzungen und orthopädischen Erkrankungen stellt sich immer wieder die grundsätzliche Frage: Bedarf es einer operativen Behandlung oder ist eine nicht-operative, konservative Behandlung ausreichend oder sogar Erfolg versprechender?

Im Allgemeinen rät der Arzt immer dann zur Operation, wenn diese die Lebensqualität erfahrungsgemäß deutlicher verbessert als eine konservative Therapie, sich also z. B. günstiger auf Schmerzen und Bewegungseinschränkungen auswirkt.

Die Entscheidung für und wider eine Operation ist im Einzelfall oft schwierig und hängt stark von den individuellen Erwartungen jedes Patienten ab. Für einen jungen Sportler mag ein bestimmter Zustand eine untragbare Verletzungsfolge darstellen, für deren Verbesserung er ein gewisses Operationsrisiko in Kauf nimmt. Ein älterer Mann ohne sportliche Ambitionen empfindet den gleichen Zustand möglicherweise als annehmbar und fühlt sich im täglichen Leben kaum behindert; deshalb vermeidet er lieber das für ihn meist höhere Operationsrisiko.

Die Empfehlungen der Ärzte ändern sich im Lauf der Zeit mit zunehmenden technischen Möglichkeiten und wissenschaftlichen Erkenntnissen. So war früher z. B. bei den meisten Rissen des Außenbands am Sprunggelenk oder der Achillessehne die operative Naht Therapie der Wahl. Heute jedoch behandeln die Ärzte einen großen Teil dieser Verletzungen ohne Operation, nachdem wissenschaftliche Studien ergaben, dass die konservative Therapie meist genauso gut wirkt wie die operative. Umgekehrt haben manche modernen Operationsmethoden aufgrund ihrer guten Ergebnisse die konservative Behandlung verdrängt. So beseitigen heutzutage die Ärzte in manchen Fällen eine subakromiale Enge beim Impingement-Syndrom der Schulter durch minimal-invasive Operationen, statt langsame und oft unzuverlässig wirkende konservative Maßnahmen anzuwenden.

13.02.2020

Von: Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

Operative Behandlung in der Orthopädie

Eine Operation hat im Idealfall das Ziel, verletzte oder erkrankte Strukturen so zu reparieren, dass keine Langzeitfolgen zurückbleiben. Zu den wiederherstellenden Operationen zählen z. B. die Naht durchtrennter Sehnen und Bänder oder die Verschraubung gebrochener Knochen. Ein selteneres Operationsziel ist die Korrektur von schweren, behandlungsbedürftigen Fehlstellungen. Hier ist eine gängige Operation z. B. die Umstellungsosteotomie bei X- oder O-förmigen Fehlstellungen im Kniegelenk, die häufig als Folge anhaltender Fehlbelastungen des Beins bei Hüftbeschwerden entstehen. Dabei sägt der Operateur aus dem gelenknahen Oberschenkel- oder Schienbeinknochen einen Keil heraus und fügt den Knochen anschließend so zusammen, dass ein günstigerer Winkel entsteht.

Das operative Zusammenfügen und Stabilisieren von Knochenteilen wird als Osteosynthese bezeichnet. Hierzu verwendet der Arzt verschiedene Metallimplantate, z. B. Schrauben, mit Schrauben befestigte Metallplatten (Schraubenosteosynthese, Plattenosteosynthese), Drähte und Nägel. Bei der Marknagelosteosynthese (Marknagelung) wird ein starker Nagel (Marknagel) der Länge nach in die Markhöhle eines Knochens eingeschlagen und meist mit quer eingebrachten Schrauben befestigt (Verriegelungsnagel). Manche dieser Implantate verbleiben im Körper; die meisten werden jedoch nach Abschluss der Knochenbruchheilung wieder entfernt. Bei bestimmten Bruchformen und offenen Brüchen mit schweren Weichteilschäden bietet sich die Schienung des Bruchs durch eine Metallkonstruktion außerhalb des Körpers an, die über kleine Hautschnitte durch Schrauben mit den Knochenbruchstücken verbunden wird. Diese Konstruktion heißt äußerer Spanner oder Fixateur externe.

Sind Strukturen derart zerstört, dass eine Reparatur nicht mehr möglich ist, bleibt oft nur der operative Ersatz. Ein typisches Beispiel ist der Einbau von künstlichen Gelenken (Endoprothesen). Sie werden am häufigsten an Hüft- und Kniegelenk eingesetzt, stehen aber auch für viele kleinere Gelenke zur Verfügung. Die Haltbarkeit ist durch Verbesserungen der Materialeigenschaften und verfeinerte Operationstechniken an Knie und Hüfte auf inzwischen über 20 Jahre gesteigert worden. So versorgen Ärzte heutzutage auch jüngere Patienten mit einem künstlichen Gelenk.

13.02.2020

Von: Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

Physiotherapie

Physiotherapieverfahren werden sowohl eigenständig als auch begleitend zu anderen Behandlungsstrategien eingesetzt.

Krankengymnastik. Kernpunkt ist bei vielen, v. a. bei nicht akuten Erkrankungen, die Krankengymnastik. Sie hat zum Ziel, Kraft, Beweglichkeit und/oder Belastbarkeit erkrankter oder verletzter Teile des Bewegungsapparats zu erhalten oder wiederherzustellen. Manche Übungen trainieren außerdem Koordination und Gleichgewicht, um z. B. ungünstige Bewegungsmuster zu korrigieren oder das Risiko von Stürzen (z. B. bei Osteoporose) zu verringern.

Während und nach längerer Ruhigstellung hilft gezielte Krankengymnastik, negative Auswirkungen wie Muskelabbau und Gelenkversteifung zu bekämpfen. Geeignet sind dafür insbesondere isometrische Übungen. Sie trainieren vom Abbau gefährdete Muskulatur durch wiederholte aktive Anspannung gegen Widerstand, ohne dabei die zugehörigen Gliedmaßenabschnitte zu bewegen. Außerdem ist es wichtig, Gelenke, die für längere Zeit ruhig gestellt waren, aktiv und passiv durchzubewegen (Mobilisation), um einer Versteifung entgegenzuwirken und bestehende Bewegungseinschränkungen durch Dehnung verkürzter Muskeln, Sehnen, Gelenkkapseln und Bänder zu überwinden.

Physikalische Therapien. Neben der Krankengymnastik bietet sich zur Behandlung orthopädischer Erkrankungen und Verletzungen das gesamte Spektrum physikalischer Verfahren an: Massagen, Lymphdrainagen, Bäder (Balneotherapie), Anwendung von Wärme (Rotlicht, Heißluft oder Fangopackungen) oder Kälte (Kryotherapie), elektrischer Strom (Elektrotherapie, z. B. Reizstrom) und Ultraschall (Ultraschalltherapie). Die verschiedenen Verfahren der physikalischen Therapie haben das Ziel, die Durchblutung und damit die Nährstoffversorgung zu verbessern, das betroffene Gewebe abzuschwellen, Verspannungen zu lockern und Schmerzen zu lindern. Insbesondere bei älteren Menschen hat sich auch die Ergotherapie bewährt, eine Beschäftigungs- und Arbeitstherapie zum Training von Beweglichkeit, Geschicklichkeit und Kraft.

Als weiteres physikalisches Verfahren hat sich die extrakorporale Stoßwellentherapie (EKST) etabliert, die mit gebündelten, rhythmischen Schalldruckwellen arbeitet. Ursprünglich für die Zertrümmerung von Blasen- und Gallensteinen entwickelt, zeigt sie oft auch gute Erfolge bei der Behandlung von Tennisellenbogen, Fersensporn, Verkalkungen in der Schulter (PHS) und Störungen der Knochenbruchheilung (Falschgelenk). Für diese Erkrankungen übernehmen die gesetzlichen Kassen meist die Behandlungskosten.

Bei anderen Einsatzgebieten, z. B. Sehnenscheidenentzündungen am Handgelenk, Springerknie, Achillodynie oder Hüftkopfnekrose muss der Behandelte die Kosten selbst tragen.

Trotz intensiver Forschung ist jedoch bis heute unklar, warum die Wirkung der Therapie nie sicher vorauszusagen ist. Was den einen in wenigen Sitzungen dauerhaft von Schmerzen befreit, führt bei dem anderen sogar zur Verstärkung der Beschwerden.

13.02.2020

Von: Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

Hintergrundwissen orthopädische Erkrankungen und Verletzungen

Sportverletzungen

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Sprunggelenk und Fuß

Knochenmarkentzündung, Knochenkrebs, Knochenmetastasen

Diagnostik und Therapie in der Orthopädie